„Schlüssel zu neuen Welten“

Fri, 12 Sep 2014 11:17:04 +0000 von Hartmut Merten

London-Reise soll benachteiligten Jugendlichen Selbstvertrauen geben

Im Jugendcafé Kreideberg ist das Reisefieber ausgebrochen: In Kürze werden zwölf Jugendliche aus der Offenen Jugendarbeit zu einer viertägigen London-Reise aufbrechen. Für die meisten von ihnen ist es der erste Auslands- und Großstadtaufenthalt überhaupt. Das Training der englischen Sprache ist Teil des Projekts, das von Gemeinde-Diakon Hergen Ohrdes und den Sozialpädagoginnen Sabine Liegmann (Hansestadt Lüneburg) und Hanna Steudtner (Paulusgemeinde) geleitet wird.

„Do you know, what you are going to do“, fragt Tessa Higgins in die Runde. Die gebürtige Engländerin ist an diesem Ferientag in das „Gemeinde- und Stadtteilhaus KredO“ gekommen, um die Sprachkenntnisse der Teilnehmer aufzufrischen. Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett gehört zu den Sehenswürdigkeiten, auf die sich die meisten Teilnehmer freuen. „Das soll voll cool sein“, weiß der 14-jährige Jonas vom Hörensagen. Alicia (16) ist besonders auf das „Hard Rock Café“ gespannt, will sich dort ein T-Shirt kaufen.

Eine Stadtrundfahrt und eine Schifffahrt auf der Themse stehen ebenso auf dem Programm wie Big Ben, Buckingham Palace und die Tower Bridge. Zur Einstimmung in die englische Kultur ist gleich am ersten Abend ein Besuch des Musicals „Billy Elliot“ im Londoner West End geplant.

Doch zunächst geht es Ohrdes und seinem Team darum, die Jugendlichen mit den Abläufen auf einem Flughafen vertraut zu machen. Denn bis auf ein Mädchen ist noch keiner der Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren jemals geflogen. Angefangen beim Check-in über das Passieren der Sicherheitsschleusen samt Kontrolle des Handgepäcks bis zum Einsteigen in das Flugzeug und das Verhalten an Bord werden die Abläufe des British Airways-Fluges eingeübt und erklärt. Damit nichts schief geht. „Ich freue mich darauf, wenn alle komplett im Flieger sitzen“, sagt Hergen Ohrdes.

„Mind the gap!“ lautet der Name des Projekts. „Damit die Lücken der Vergangenheit nicht den Weg in die Zukunft versperren“, erläutert Ohrdes die Idee. Bruchstückhafte Bildungsbiografien kennzeichneten das Leben vieler Jugendlicher in dem Lüneburger Stadtteil. Im alltäglichen Leben, wie zum Beispiel in der Schule, würden Vermeidungsstrategien sichtbar. Auch die Arbeit im Jugendcafé offenbare grundlegende Wissenslücken, etwa bei Spielen wie Stadt-Land-Fluss. Andererseits zeigten die jungen Menschen nach teils langjähriger pädagogischer Begleitung inzwischen eine wachsende Motivation, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Dazu gehöre die Einsicht, dass Kenntnisse der englischen Sprache dazu beitragen können, Lebenspläne zu verwirklichen.

Ohrdes weiß, dass die Einkommensverhältnisse der beteiligten Familien die Teilhabemöglichkeiten der Kinder erheblich einschränken. Deshalb hat er das landeskirchliche Programm „Zukunft(s)gestalten – allen Kindern eine Chance“ in Anspruch genommen. Eine Spende der Sparda-Bank sowie Eigenmittel des Jugendcafés trugen gleichfalls dazu bei, dass das Projekt Wirklichkeit werden konnte.

„Die Teilnehmenden sollen die eigene Sprachkompetenz als Schlüssel zum Erschließen neuer Welten verstehen, verbessern und verwenden“, nennt Ohrdes ein Ziel. Sein Wunsch: Dass das gewonnene Selbstvertrauen nachhaltig wirkt. Und zu einer selbstbestimmten Lebensgestaltung motiviert.

Hartmut Merten
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